This interview was made by Rashad Becker for DeBug Magazine, March 1998. Interview in german, obviously.

Der Monolake. Ein Natur-Impressario im Herzen Amerikas. Und – auf Grund einer Urlaubs-Traumatisierung unserer beiden Protagonisten – Inbegriff der Verfehlung, Monument der verpassten Chance. Ein wunderschöner Ort, der – unheimlich abstrahiert – in ihrer Phantasie weiterlebt. Wie die Musik ja auch. Wie passend. Henke-Studios Berlin. Es werden Konfekt und R1-Minima Zigaretten gereicht. Auf allen häufig frequentierten Oberflächen sind in unaufdringlicher Weise DE:BUG-Fragmente drapiert. Robert schminkt sich noch kurz. Das Mikrophon ruht zurückhaltend im Blumentopf. Man ist auf Bloßstellungen gefaßt, einigt sich auf das Recht der Öffentlichkeit auf Information. Monolake. Der Umstand. Monolake wurden als Live-act schon durch die halbe Republik & 2/3 der Schweiz gereicht, in jedem Falle gehört ihr zu den wenigen Techno-Kapellen, die die Kausalkette Musik erzeugen <-> Konzerte geben fest auf sich abonniert haben, obwohl ihr nicht gerade das klassische 4tothefloor Tanzveranstaltungs-Bedürfnis bedient und eure Veröffentlichungen eher nach Frickelarbeit klingen.

Woher kommt eure Affinität zum Konzertanten?
Robert: Live spielt man eigentlich hauptsächlich weils einem selber Spaß macht. Das Publikum bekommt das ja erfahrungsgemäß kaum mit. Will meinen man kann da rumstehen und an 30 Geräten rumschrauben mit unendlich vielen Leuchtdioden und dann kommen während des Konzertes Leute auf dich zu und fragen: tschuldigung, welche Platte läuft denn da grade?

Gerhard: nee, besser: tschuldigung, kann ich mal ‘n Bier haben, wie geschehen im Friseur. Aber was du merkst, auch wenn die Leute nicht wirklich zuhören in dem Sinn ist, dass sich eine Wertschätzung vermittelt wenn es gut ist, und entsprechend halt keine, wenn es nicht gut ist. Und das ist natürlich ein viel direkterer Rückweg als über eine Platte, bei der du das erst mit großem Delay mitkriegst.


Eure Platten sind ja auch überwiegend aus Live-Mitschnitten entstanden…
Gerhard: Aus dem Grund.

Arbeitet ihr dann überhaupt parallel im Studio mit Zielrichtung Tonträger?
Robert: Wir bereiten Konzerte vor, indem wir Strukturen, Sequenzen und Klänge gestalten, und im Prinzip ist Live dann eine wunderbare Möglichkeit, sich vor dem Mix-Down zu drücken. Irgendwann hat man genügend Material und denkt sich, jetzt müßte man eigentlich anfangen zu komponieren, und das Komponieren ist ja immer das Dilemma, weil man da Entscheidungen treffen muß und Formen festlegt und über den bloßen Moment: 'es ist schön und klingt geil' hinaus etwas tut. Live macht man es halt dann zwangsläufig, und erstaunlicherweise klappt es da auch immer ganz gut.

Eure Live-Sets beeindrucken immer durch einen sehr schlanken und eleganten Technik-Aufbau. Was bedeutet für euch (ergriffen, bedeutlerisch) das Spannungsfeld, nein, die Begegnung Mensch-Maschine, nein anders…was ist das Herzstück eurer Technik?
Robert(souverän) :Wir haben viel ausprobiert, aber seitdem wir den PX-18 (see foot note 1) haben stellt sich für uns die Frage ob Soft- oder Hardware eigentlich nicht mehr.

Gerhard(eifrig): Wie Robert bereits erwähnte: der PX-18. Audioelektronik ist damit einfach beantwortet. Komplett.


Sonst, Oberflächen? Erwähnenswert scheint mir die Beobachtung, daß bei wenigstens einem eurer Konzerte jegliches Ansteuern musikalischer Geräte (unschwer ersichtlich an die Wand genagelt) via central-doc-on-unit Roland TR-505 bewältigt wurde. Das war natürlich vor dem PX-18.
Gerhard: Die 505 hat als Musikinstrument den einen wesentlichen Vorteil, daß man sie mit Batterien betreiben kann. Und daß man – auf Grund eines genialen Löttricks von Robert – nur ein Kabel braucht, um sowohl MIDI rein, raus, als auch optional Strom reinzukriegen.

Robert: Wir wollen aber hervorheben, daß wir nie den Audio-Ausgang von der Drum-Machine angeschlossen haben.

Gerhard: Außerdem bietet sie den Vorteil: sie hat 16 Knöpfe, die kannst du im Delirium unterscheiden, und du kannst diesen Knöpfen rhythmische Muster zuordnen – und durch einfaches Drücken der Knöpfe diese Muster hervorbringen.

Robert: Zum Beispiel kann man wenn man auf 1, 5, 9 und 13 drückt auf die 1, die 2, die 3 und die 4 eines hypothetischen 4/4 Taktes eine Baß Drum montieren.

Gerhard: Das aber nur als Beispiel. Das ist nur ein Außchnitt aus den vielfältigen Programmiermöglichkeiten dieses kleinen Gerätes. Ansonsten, wir haben halt keine Keyboards auf der Bühne, weil man die nicht braucht, und wir bevorzugen Schiebe- und Drehwerkzeuge und versuchen alles dementsprechend einzurichten.

Ich wundere mich ja ehrlich gesagt immer ein bißchen, daß ihr überhaupt Tanzmusik macht, euer “Hintergrund” ist ja eigentlich ein anderer, eher von der elektroakustischen Musik her, und auch wenn das Rohmaterial auf Live-Mitschnitten beruht ist es doch wohl immer noch ein langer Weg zum Produkt. Eure Produktionen sind doch sehr detailverliebt, weit über das bloße funktionieren im Club hinaus, trotzdem ist das der klare Kontext. Was sind für euch die Referenzen, die zum fertigen Produkt weisen?
Robert (sehr radikal): Alle Musik muß für irgendeinen Bereich funktionieren, und sei es zum Abspülen. Musik ohne Funktion ist für mich schlichtweg überflüssig. Die Maßstäbe sind sehr unterschiedlich. Wenn ich eine CD für Imbalance mache, verfolge ich dabei eine ganz andere Philosophie, als wenn ich einen Track für eine Maxi mache oder mir eine Theatermusik aus den Rippen schneide. Eine CD muß auch nach 30 mal Hören noch etwas zum entdecken bieten, eine Clubnummer hingegen soll in erster Linie die Leute zum Tanzen bringen.

Gerhard: Im Gegensatz zu klassischen Tanznummern wirst du bei unseren Stücken kaum etwas von einem Arrangement finden, sprich unser Zugang zur Musik besteht nicht im Zusammenfügen von Elementen. Interessant ist für uns der Vorgang, wenn wir aus einer Stunde Material das zum Beispiel Live entstanden ist ein Stück machen wollen von maximal 10 Minuten. Da mußt du eine Menge rauschmeissen und Form reinbekommen. Was passiert ist, daß wir alle diese Kriterien anwenden, die uns per Musikgeschichte und Muttermilch mitgegeben worden sind, daß man aber nicht über die Möglichkeiten verfügt, wie wenn man alles als getrennte Sequenzen im Rechner zugreifbar hat und es A-B-A-mäßig organisieren kann. Du mußt dann andere, vor allem klangliche Kriterien heranziehen, die dir irgendwie eine Form geben, mußt klangliche Veränderungen und subtile Verschiebungen im Rhythmus suchen, die dir eine Variation anbieten, und kannst dann Brüche schaffen in dem du es gegenschneidest. Das ist zwangsläufig anders, als wenn du Fragmente gegenseitig ein- und ausblendest oder mutest. Das ist auch die Verbindung, die ich zu Nicht-Beat-Musik sehe, weil ich da auch immer genau so herangehen würde: Ein Kontinuum schaffen, um dieses dann mit Brüchen zu versehen.


Chain Reaction vermittelt sich ja als (vorsichtig) ziemlich programmatische Angelegenheit. Was bedeutet dieser Kontext für euch?
Robert: Daß wir im Kontext Chain Reaction stehen beruht auf der banalen Tatsache, das der Großteil unserer Platten dort erschienen ist. Das Selbstverständnis von Chain Reaction ergibt sich eigentlich daraus, daß es Leute sind, die aus dem Bekanntenkreis von Basic Channel stammen und den Konsens teilen: Wir finden Basic Channel cool und wir mögen uns.

Gerhard: Ich stelle schon fest, das in den Sachen, die die anderen machen, z.B. in der CD von Vainqueur immer Dinge stecken, die mich musikalisch auch interessieren und die ich auch verfolge. Kann natürlich Zufall sein, aber ist es wahrscheinlich nicht.


Imbalance Computer Music: 4 Veröffentlichungen in 5 Jahren, das weist auch auf ein ziemlich striktes Labelprofil hin. Kannst du dieses umreißen?
Robert: Imbalance ist der Versuch, elektronische Musik für Zuhause zu veröffentlichen, die keine Tanzmusik ist, aber in einer Wechselwirkung mit Techno steht. Ich sehe Imbalance als Forum für elektronische Klangformung, die einerseits Einfluß hat auf die Klangentwicklung im Techno, und andererseits aber auch rückwirkend beeinflußt wird von dem, was an rhythmischer Musik gemacht wird. Außchlaggebend ist dabei auch das Medium CD, das formal ganz andere Vorgaben macht als Vinyl. Alleine schon durch die Zeiteinheit, aber auch durch die Art und den Ort der Reproduktion. Die Veröffentlichungen sollen mit dem Zustand CD auch bewußt umgehen, und 60 Minuten Musik nicht beliebig kompilieren, sondern als eine Einheit, ein Werk betrachten. Das haben auch alle Imbalance CD’s gemeinsam: Steady State Music beruht auf fünf Versuchen, quasi-stationäre Klangzustände zu erzeugen, Async Sense sind fünf Studien zum Thema auseinanderdriftende Rhythmen, Piercing Music ist von vornherein schon mal ein Stück, und Floating Point hat im Prinzip auch ein Thema und läuft von Anfang bis Ende durch, wobei die Struktur und der Aufbau bindend sind, es ist keine CD die im Random Play laufen kann.

Wir alle kennen Helical Scan, I Baß You, und andere Henke-aßoziierte Werke und Erscheinungen -wie steht es eigentlich um Solo-Projekte von Gerhard Behles?
Gerhard: Ich habe Tonband – Kompositionen vorzuweisen, die absolut nicht Club-kompatibel sind…

Robert(ins Wort fallend): Es gibt von Gerhard ein Stück namens 'Silicea', das geradeweg phantastisch ist, das ich auch zu gerne auf Imbalance veröffentlicht sähe, aber es ist leider nur 12 Minuten lang, und davon muß man die ersten 5 Minuten skippen, aber dann wird es ganz wunderbar. Aber sowas kann man halt schlecht für 30 Mark verkaufen heutzutage.

Gerhard: Sonst habe ich vornehmlich “interaktive” Klanginstallationen gemacht, gemeinsam mit Penko Stoitschev, als da wären 'Wonga'; sowie 'Balla Balla'- Ersteres war so eine Art Videospiel ohne Video, also (kokett) ein Audiospiel. Die Idee war, das es nicht so etwas solitaires sein und sich in öffentlichen Räumen ausbreiten sollte, in diesem Falle vor allem in verschiedenen Clubs in Berlin. Die Benutzeroberfläche war ziemlich beschränkt, du hattest als Spieler eine Säule vor dir mit 8 Fadern ohne Beschriftung, und alles andere mußtest du selber rausfinden. Das System war so organisiert, das du relativ intuitiv musikalischen Zugang bekommen konntest und auf alle möglichen musikalischen Parameter inklusive Form über diese 8 Fader zugreifen konntest. Wenn man aufgehört hat, sich daran zu betätigen ist es sozusagen in den Chill-Mode zurückgefallen. Die Konstellationen, die sich damit ergeben haben lagen zwischen tatsächlich spielerischer Beschäftigung mehrerer Leute gleichzeitig bis hin zu eher konzertanten Situationen. Die andere Geschichte, 'Balla Balla', war eine ebenfalls 4-kanalige Audio-Umgebung, in deren Mitte sich der Spieler anhand einer Kugel durch einen virtuellen akustischen Raum navigieren konnte um dabei letztlich über alle möglichen Geräusche zu stolpern. Wenn du angefangen hast, dich mit der Kugel zu beschäftigen sind völlig unterschiedliche Dinge geschehen, je nach dem in welchem Zustand du das System vorgefunden hast. Auch die Art, wie du dich im System fortbewegt hast hatte auf das Verhalten der Umgebung Einfluß. Das Ganze war ebenfalls für den öffentlichen Raum bestimmt, allerdings eher im musealen Kontext, genauer gesagt war es eine Auftragsarbeit mit pädagogischer Zielrichtung. Darüber hinaus wäre vielleicht noch mein projektiertes James Last-Unterfangen zu erwähnen, vielleicht aber lieber erst in einem der zukünftigen Hefte.


Monolake Erzeugniße bieten sich ja jetzt auch CD-formatiert dem geneigten Hörer feil, namentlich “Hong Kong” auf Chain Reaction. Was steht für den Konsumenten mit dieser jüngsten Veröffentlichung zu erwarten?
Robert: Hong Kong ist eine Compilation-CD mit neuen Edits und …

Gerhard: ... sinnstifftendem Zusammenhang!

Robert: … sinnstifftendem Zusammenhang und ganz vielen zusätzlichen Geräuschen und kommt in einer dieser bewährten Metallboxen, die jetzt auch neuerdings Scharniere haben, was ein deutlicher Schritt nach Vorne ist.


Warum heißt die CD denn Hong Kong und was sind das denn eigentlich für zusätzliche Geräusche?
Gerhard: Die CD heißt Hong Kong, weil die Geräusche die darauf zu finden sind in Hong Kong aufgenommen wurden. Dort waren wir nämlich, und weil Robert immer eine Aufgabe braucht haben wir stetig einen DAT-Recorder mitgeschleppt und Robert hat Geräusche gesammelt. Und es waren phantastische dabei, zum Beispiel die überzeugendsten Grillen die man je gehört hat. Die Compilation hatten wir eh schon in Arbeit, und das hat uns bewogen, mit viel Schnipselarbeit die Klänge so an die Musik anzulegen, daß sie eine Verschmelzung eingehen, wo es sinnvoll ist.

Robert: So daß sich die Grillen zum Beispiel jetzt an den Rhythmus anschmiegen, wie auch die Stimme der Fernsehansagerin, während der Regen von Lantau hingegen sich an den Anfang von Cyan anschmiegt.


Man weiß ja noch nichts Genaues und hat es auch noch nicht gehört, schnappt aber umtriebiges Gemunkel auf bezüglich eines Barocktrompeten Intermezzos auf einem der neuen Stücke – erwirkt von Wieland Samolak. Wie konnte es soweit kommen?
Gerhard: Wieland ist ja bekannt von der ersten Imbalance-CD her, und dieser hat sich neben der fanatischen Untersuchung statischer Klangzustände über Jahre hinweg fast genau so emsig mit Blasdruck-Controller Einsatz zur Bespielung elektronischer Musikinstrumente befaßt. Das fanden wir immer interessant und wir hatten auch stetig persönlich mit ihm eine Menge zu tun, und somit war es nahegelegen, daß er mal für oder zusammen mit uns was macht. So haben wir ihm dann ein Stück dieser CD geschickt, mit der Bitte, er solle da mal seinen Kommentar zu geben, und das was er gemacht hat im Nachhinein eingebaut. Ausgangsmaterial ist in diesem Falle tatsächlich eine Barocktrompete, und wir sind völlig glücklich damit. Es ist einfach ein instrumentales Element, das an dieser Stelle zwingend nötig war.

Und warum eine CD-Compilation vornehmlich von Stücken, die für Maxis gemacht und gedacht waren?
Gerhard: Damit haben wir das jetzt auch einmal in eine zusammenhängende Form gebracht, so wie es sonst dem DJ im Clubmix zugedacht ist. Außerdem ist es ja evtl. auch ein Anliegen, die Musik einfach mal Zuhause in einem längeren Zusammenhang hören zu können, in einer Qualität, die man sich wünscht und in einem anderen Zustand. Die Stücke sind ja auch nicht explicit und außchließlich für Clubanwendungen gemacht, sondern sollen auch bei genauem Zuhören standhalten.

Robert: Außerdem hatten wir dadurch die Möglichkeit, das Material mit kleinen Dingen anzureichern, die unter Clubabhörbedingungen überhaupt nicht zur Geltung kommen würden. Wenn man was für Kopfhörer und CD nachbearbeitet kann man einfach viel bewusster mit kleinen Veränderungen hantieren, in dem Bewußtsein, daß Leute, die intensiv zuhören sie auch wahrnehmen werden.


Kaum aktuell bezogen zwar, aber dennoch wäre gerne noch einmal nachgefragt wegen der sprichwörtlichen vielen Gesichter nach dem Symmetrischen Konzert und dem Gedanken dahinter?
Robert: Das 'Symmetrische Konzert' war in erster Linie eine Huldigung an ein weiteres Lieblingsinstrument von uns beiden, namentlich den Yamaha SY77, ohne das ich nämlich wirklich nicht mehr leben wollen würde und das Ehrung und Lobpreisung zu Hauf verdient. Es ist komplett digital, ohne irgendwelche resonierenden Filter, schon ziemlich alt und man wird trotzdem auch in 20 Jahren noch unendlich geile und wirklich neue Klänge damit gestalten können. Die Idee bei besagtem Konzert war, das beide gemeinsam mit demselben Klang anfangen, und sich dann jeder für sich in einer Zeithüllkurve Parameter für Parameter von diesem Ausgangsklang wegeditiert, um am Ende dann durch Abgleich der Werte zu einem gemeinsamen Schlußpunkt zu kommen. Die Symmetrie hat sich darüber hinaus in den räumlichen Aufbau und die An- und Zuordnung der 8 vorhandenen Lautsprecher hineinerstreckt. Dazu gab es noch eine symmetrisch aufgebaute Video-Illustration der beiden Signale durch Visomat Laboratorik.

(1) The 'PX-18' is a step sequencer application, written in MAX by Robert Henke and Gerhard Behles, 1992 - 1999.